Was ist eine Punktwolke? Wie erfasst man sie? Und was macht man eigentlich damit? All diese Fragen beantwortet Sean Higgins in diesem Artikel für NavVis.
Was ist eine Punktwolke?
Eine Punktwolke ist eine digitale 3D-Darstellung eines physischen Objekts oder Raums. Sie besteht aus Millionen von einzelnen Messpunkten, die jeweils eine x-, y- und z-Koordinate besitzen.
Je nach der zur Erfassung der Punktwolke verwendeten Methode - und den verwendeten Sensoren - kann jeder Punkt auch RGB-Farbdaten oder sogar Informationen zu Intensität enthalten, welche die Rücklaufstärke des Laserpulses widerspiegeln, der den Punkt erzeugt hat.
Wie erzeugt man eine Punktwolke?
Für die Erfassung einer Punktwolke gibt es zwei Hauptinstrumente: Laserscanner und Photogrammetrie.
1. Laserscanner
Ein Laserscanner ist ein System aus Sensoren und anderen Technologien, das für die Vermessung eingesetzt werden kann. Von besonderer Relevanz sind die LiDAR-Sensoren: Hierbei werden mit schnellen Laserimpulsen Hunderttausende von extrem genauen Messungen pro Sekunde durchführt. Die meisten Laserscanner verfügen darüber hinaus meist noch über eine RGB-Kamera, um die Punktwolke um Farbinformationen zu ergänzen. Nicht zuletzt werden auch sehr häufig Trägheitsmesseinheiten (IMUs) verbaut; dabei handelt es sich um eine etwas fortgeschrittenere Version des Beschleunigungsmessers, den Sie auch in Ihrem Smartphone finden.
Es gibt verschiedene Arten von Laserscannern, die jeweils für einen bestimmten Anwendungsbereich konzipiert sind: Terrestrische Laserscanner (TLS) beispielsweise kommen zum Einsatz, wenn Sie Punktwolken mit der absolut höchsten Genauigkeit benötigen, etwa für eine spezielle Anwendung wie die Messung der Strahlablenkung, die Analyse der Bodenebenheit oder die Erfassung eines einzelnen Objekts (z. B. ein Auto oder eine Maschine).
Mit einem mobilen Laserscanner hingegen können Sie eine Genauigkeit von bis zu 4 mm erreichen und Punktwolken erfassen, während bzw. indem Sie sich durch einen Raum bewegen. So lassen sich Umgebungen sehr schnell erfassen und die Gesamtkosten pro Quadratmeter stark senken, weswegen solche Scanner ideal für die meisten Baudokumentationsprojekte sind. Darüber hinaus sind solche Laserscanner perfekt geeignet, um hektische Umgebungen wie z. B. Fabriken zu scannen, bei denen der Betrieb nur so kurz wie nötig unterbrochen werden kann oder soll.
Aber das waren längst noch nicht alle Optionen: Mittlerweile sind viele verschiedene Spezialanwendungen auf dem Markt, z. B. für die Erfassung von Objekten, Straßen oder Schienen, sowie für die Erstellung großflächiger topografischer Karten. Die verschiedenen Laserscannertypen können darüber hinaus beliebig miteinander kombiniert und die jeweiligen Datensätze zu einer finalen Punktwolke zusammengefügt werden, je nach den Anforderungen des Projekts.
Im Allgemeinen liefern Laserscanner genauere Daten als die Photogrammetrie.
2. Photogrammetrie
Hierbei handelt sich dabei eher um eine Methodik als um ein bestimmtes Werkzeug. Um eine Punktwolke mit Photogrammetrie zu erstellen, muss der Raum zunächst mit Hilfe von Kameras aus allen Winkeln erfasst werden. Die aufgenommenen Bilder werden dann in einer speziellen Software verarbeitet, um den Raum in 3D zu rekonstruieren.
Photogrammetrie ist zumeist die Methode der Wahl, wenn Sie Drohnen für die Erfassung eines Gebäudes verwenden möchten. (Laserscanner sind meist zu schwer für eine Drohne).
Wie erzeugt man eine Punktwolke?
Diese Datensätze stellen ein genaues, präzises und umfassendes digitales Abbild eines realen Raums, einer Oberfläche oder eines Objekts dar. Und das bedeutet, dass sie für eine Vielzahl von Anwendungen von großem Wert sind.
Hier sind nur einige der häufigsten Anwendungen:
1. Raumplanung
Mit Hilfe von Punktwolkendaten lassen sich schnell Grundrisse von Gebäuden erstellen. Diese Methode ist nicht nur schneller, sondern auch genauer als die Arbeit mit Vermessungsinstrumenten wie Totalstationen oder manuellen Instrumenten wie Laserdistanzmessern.
Wie es funktioniert: Es gibt zwei Methoden: Sie können entweder die Punktwolke in der Draufsicht betrachten und den Grundriss manuell mit einer CAD- oder Raumplanungssoftware nachzeichnen, oder Sie nutzen eine KI-gestützte Software, um den Grundriss automatisch erstellen zu lassen.
2. Building Information Modeling (BIM)
Punktwolken können außerdem dazu verwendet werden, ein Gebäudedatenmodell (BIM) einer Immobilie zu erstellen. Ein BIM ist „eine digitale Darstellung der physischen und funktionalen Merkmale eines Gebäudes. Ein BIM dient als gemeinsame Wissensressource für Informationen über ein Objekt, die eine zuverlässige Grundlage für Entscheidungen während des Gebäudelebenszyklus bildet; definiert als von der ersten Idee bis zum Abriss.“
Da eine Punktwolke den Ist-Zustand eines Gebäudes genau und umfassend wiedergeben kann, enthält sie alle räumlichen Rohdaten, die Sie für die Erstellung eines neuen Gebäudeinformationsmodells oder die Aktualisierung eines bestehenden Modells benötigen. So können Sie den Ist-Zustand des Gebäudes mit dem Soll-Zustand vergleichen, um Fehler, Konflikte und Kollisionen zu erkennen.
Wie es funktioniert: Um ein BIM-Modell anhand von Punktwolkendaten zu erstellen, benötigen Sie eine spezielle BIM-Modellierungssoftware, mit der dann das gewünschte Modell erstellt werden kann.
Manche Programme erlauben es Ihnen, dies manuell zu tun, indem Sie Elemente zeichnen und Informationen wie das Material festlegen. Mit Hilfe von weiteren Softwarelösungen kann der Prozess teilweise automatisiert werden, indem Oberflächen, Objekte und sogar MEP-Systeme durch eine KI erkannt werden und modelliert werden. Diese halbautomatischen Prozesse können sehr genau sein, aber sie sind nicht perfekt - die Software arbeitet zwar viel schneller als ein Mensch, dafür besteht aber auch die Gefahr, dass manche Elemente nicht erkannt werden oder Fehler auftreten. Infolgedessen müssen Sie die Arbeit immer wieder überprüfen und manuell korrigieren.
Möchten Sie gerne mehr über den Scan-to-BIM-Prozess erfahren? Hier finden Sie einen unserer Info-Beiträge zu diesem Thema.
3. Baufortschrittskontrolle
Wenn Sie während der Bauphase regelmäßig Punktwolken erfassen, können Sie diese Daten nutzen, um zu verfolgen, welche Arbeiten wann und wo abgeschlossen werden.
Wie es funktioniert: Neben manuellen Methoden zur Baufortschrittskontrolle mit einer Punktwolke gibt es auch fortgeschrittene automatisierte Methoden. Dabei können die Rohdaten der Punktwolke mit allen anderen Beteiligten geteilt werden, um ihnen einen schnellen Überblick über den Fortschritt des Gebäudes zu jedem beliebigen Zeitpunkt seit Baubeginn zu ermöglichen. Sie können aber auch automatische Tools verwenden, um detailliertere Aktualisierungen vorzunehmen. Es gibt z. B. Software, welche die Punktwolke automatisch analysiert, um bestimmte Objekte zu erkennen, und darüber hinaus auch den Arbeitsfortschritt in Hinblick auf bestimmte Gewerke, Zeitpläne und Budgets verfolgt.
4. Digitale Zwillinge
Punktwolken können außerdem dazu verwendet werden, ein funktionsfähiges 3D-Modell eines Gebäudes zu erstellen. Dieses Modell, besser bekannt als digitaler Zwilling, kann als eine Art Schnittstelle fungieren, die durch eine Vielzahl von IoT-Sensoren (Internet of Things) ermöglicht wird. In einem idealen digitalen Zwilling werden alle Änderungen am physischen Gebäude automatisch auf den digitalen Zwilling übertragen und umgekehrt.
Diese symbiotische Beziehung bedeutet, dass digitale Zwillinge wie BIM-Modelle verwendet werden können, um Gebäudeinformationen einsehen zu können oder um fortgeschrittene Aufgaben wie Kontrolle, Simulation, Analyse und Steuerung durchzuführen.
Wie es funktioniert: Die Erstellung eines digitalen Zwillings ist ein komplexer, vielschichtiger Prozess - deshalb bieten viele Unternehmen dafür genau zugeschnittene Dienstleistungen in diesem Bereich an. Dazu gehört neben dem Scannen auch die eigentliche Digitalisierung des Gebäudes sowie die Erstellung des digitalen Zwillings, der Ihren Spezifikationen entspricht und die für Sie relevanten Daten enthält, z. B. zur Betriebstemperatur.
Mehr über dieses Thema erfahren Sie in unserer Fallstudie mit Siemens. Dort wird genau erläutert, wie die Erstellung des digitalen Fabrikzwillings im konkreten Fall von Siemens ablief.
Fazit
Jetzt wissen Sie also hoffentlich Bescheid darüber, was eine Punktwolke ist, wie sie erstellt wird, und wofür sie vorwiegend verwendet wird. Und jetzt? Wenn Sie Dinge lieber selbst ausprobieren, können Sie sich hier Beispieldaten einer Punktwolke herunterladen.
Weiter unten finden Sie daher einen Link zu einem Beispieldatensatz, der mit einem NavVis VLX erfasst wurde. Der Datensatz steht im branchenüblichen .e57-Dateiformat zum Download bereit und ist mit vielen CAD-Anwendungen (Computer-Aided Design) von Drittanbietern kompatibel.
Sean Higgins ist ein selbstständiger Technikjournalist, ehemaliger Redakteur einer Fachzeitschrift und Naturliebhaber. Er ist der Meinung, dass 3D-Technologien klar und verständlich erklärt und besprochen werden sollten.